Über die Sound-Galeristen Gottlob+Ostendorf im Schweizer „ensuite“-Kulturmagazin

Gottlob+Ostendorf haben die neue House-Compilation „Private Pleasure Vol. III“ vorgelegt. Das schweizerische Magazin „ensuite“ hat dies zum Anlass genommen, über Qualität in der Musik und den Beruf des Soundscouts nachzudenken. Ben Ostendorf im Gespräch:

Die Sommeliers des guten Geschmacks
Interview: Luca D’Alessandro

Daniel Gottlob und Ben Ostendorf aus Düsseldorf sind nicht nur Musikberater und -entwickler für Firmen aus den Bereichen Film, Mode und Werbung. Sie sind auch Musiksammler und DJs. Ihr Schwerpunkt liegt im Jazz, mit all seinen Variationen: Latin, Contemporary Jazz, Nu-Jazz, Lounge, Latin, Soul und House. Letzterem Genre ist ihre dritte Ausgabe der Compilation-Serie «Private Pleasure» gewidmet, die im November erschienen ist. Ben Ostendorf spricht mit ensuite-kulturmagazin über Qualität in der Musik und den Spagat zwischen Kunst und Kommerz.

ensuite: Ben Ostendorf, im November planen Sie, sprich Gottlob+Ostendorf, einen Housebesuch. So steht es in Ihrer Mitteilung.
Ben Ostendorf: Bislang waren wir vorwiegend im Lounge, Jazz und Smooth-Jazz unterwegs. Dabei kam unser musikalisches Hobby – als House DJs tätig zu sein – deutlich zu kurz. Mit der dritten Ausgabe von Private Pleasure wollen wir unserer Leidenschaft wieder Platz verschaffen und House Musik erwachsenen Menschen ins Wohnzimmer bringen.

ensuite: Zwei CDs sind inzwischen unter diesem Titel erschienen. Inhaltlich unterscheiden sie sich voneinander deutlich.
Ben Ostendorf: Das stimmt. Begonnen haben wir mit „Private Pleasure Vol I“, einer Lounge Compilation. Es folgte „Private Pleasure Vol II“, die etwas mehr auf Jazz Funk ausgerichtet ist. Und nun steht eine House Variante bevor, welche die Trilogie abrundet.

ensuite: House Compilations gibt es wie Sand am Meer. Ist der Markt nicht übersättigt?
Ben Ostendorf: Der Markt ist gut bedient. Um uns abzuheben, setzen wir auf Qualität. Wir suchen uns Titel aus, die ein gutes Tempo, einen klaren Rhythmus und ein einprägendes Thema haben. Sie dürfen nicht billig wirken. Besonders in Untergruppierungen wie Jazz House und Latin House finden wir das, wonach wir suchen. Der Jazz House, zum Beispiel, hat eine Verbindung zu unseren musikalischen Wurzeln, dem Jazz und dem Soul. Moderne Strömungen, wie sie gegenwärtig auf Ibiza dominieren, haben damit wenig zu tun. Unser Anspruch orientiert sich primär an der Musikalität…

ensuite: …also nicht an der Aktualität…
Ben Ostendorf: Genau. Es ist egal, ob ein House Stück in die Jahre gekommen ist. Viel wichtiger ist es, dass es qualitativ hochwertig ist. Nicht selten haben wir zehn Jahre in die Vergangenheit geguckt und festgestellt, dass gut produzierte House Musik nach wie vor aktuell ist. Viele Stücke blieben unbekannt und unterbewertet. Diese kommen jetzt in unserem Mix wieder zum Zug. Die kommende CD wird durchgemischt sein, sich im Prinzip wieder als neues Ganzes zusammensetzen. In den letzten Jahren ist viel „Schund“ produziert worden. Daher muss man den Fundus systematisch durchkämmen, um im Gewühl die „Perlen“ zu finden. Sowieso: House Musik aus den Neunzigern muss nicht alt sein. Wenn sie gut gemacht ist, bleibt sie beständig.

ensuite: Sie kann den Status eines Klassikers erlangen.
Ben Ostendorf: House Musik wird nicht untergehen. Es gibt sie schon lange, und sie bleibt uns sicher erhalten. Allenfalls verändern sich Nuancen. Aktuell wird sie wieder von den Synthesizern der Achtziger dominiert.

ensuite: Mit «The Sun Will Shine» von den Blak Beat Niks kommt ein solcher Klassiker auf „Private Pleasure III“ zum Zug. Sie mischen ex-Hits mit Unbekanntem.
Ben Ostendorf: Bekannte Stücke ziehen die Unbekannten in einen Sog hinein, so dass nicht die einzelnen Stücke relevant sind, sondern der Mix als Ganzes. Es kommt auf das Menu an, nicht auf das einzelne Gewürz.

ensuite: Und Sie sind die Küchenchefs.
Ben Ostendorf: Wir sind Sommeliers des guten Geschmacks, quasi Sound-Galeristen. Das Internet bietet ungeheuerlich viel an Material, das qualitativ oft nicht an das heran kommt, was wir von guter Musik erwarten. Da gilt es erst einmal zu triagieren – zu schauen: Was ist gut und was gehört in den Papierkorb. Nach getaner Arbeit können wir den Hörern etwas in die Hand drücken, das von Anfang bis Ende wohlklingt.

ensuite: Wer sind diese Hörer?
Ben Ostendorf: Liebhaber von guter House Musik. Das mag banal klingen, ist es aber nicht. Denn meine Aussage schliesst alle mit ein, nicht nur junge Menschen. Ich bin siebenundvierzig, mein Kollege einundfünfzig, und beide hören wir regelmässig House Musik, sei es zu Hause, im Auto, beim Sport oder halt im Club.

ensuite: Wie finden Sie sich in der ungeheuren Masse an Musik zurecht? Schliesslich gibt es unendlich viele Möglichkeiten, einen Musikmix zu gestalten.
Ben Ostendorf: Das ist so. Deshalb stützen wir uns bei der Suche auf Inputs, die wir von Berufskollegen oder das soziale und musikalische Netzwerk bekommen. Nichtsdestotrotz kommen wir um das ausgiebige Suchen und Hören nicht herum. Eine bereichernde Tätigkeit: Nicht selten offenbaren sich hier die Ideen für weitere Projekte.

ensuite: Finanziell gesehen, werden Sie damit nicht reich, da Musikrecherchen im Normalfall nicht vergütet werden. Es sei denn, man hat eine Anstellung als Musikredaktor bei einer Radio- oder Fernsehstation. Wovon leben Sie?
Ben Ostendorf: Vom Musikhören lässt es sich tatsächlich nicht leben. Deshalb haben wir mehrere Standbeine: Zum einen sind wir als DJs, zum anderen als Musikberater und Produzenten buchbar. Wir begleiten Firmenkunden bei der Gestaltung ihres Corporate Sounds. Damit haben wir uns zwar ein bisschen von unserem persönlichen DJ Profil entfernt. Aber das stört uns nicht. Im Gegenteil: Wir sind glücklich darüber, dass unser Musikwissen geschätzt wird. Firmenkunden nutzen unser Knowhow für ihre Imagekampagnen.

ensuite: Und somit bleibt noch etwas Platz für ein Hobby.
Ben Ostendorf: Genau. Private Pleasure erlaubt es uns, uneingeschränkt das zu tun und zu veröffentlichen, was wir wollen. Das Projekt ist unsere musikalische Visitenkarte. Daher ist es einerlei, ob wir mit der Serie einen hohen Gewinn machen. Wir freuen uns, wenn sie in der Musikszene wahrgenommen wird, und man sofort erkennt, dass es sich um ein Qualitätsprodukt handelt.

ensuite: Wie lässt sich Qualität garantieren? Eine Compilation zu produzieren, kann oft daran scheitern, dass Labels die gewünschten Titel aus Konkurrenzgründen nicht freigeben. Sinngemäss könnte es heissen: «Wir von Label X wollen mit Label Y nichts zu tun haben, geschweige denn auf der gleichen Compilation verewigt sein.»
Ben Ostendorf: Früher war es tatsächlich so. Als wir angefangen hatten, CDs zu kompilieren, war dies ein Problem. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass die Labels kooperativer geworden sind. Besonders die Major Labels haben gemerkt, dass der Markt nicht mehr zu ihren Füssen liegt. Schliesslich können auch sie untergehen, wie das Beispiel von EMI zeigt. Wenn wir anklopfen, werden wir gehört. Das wäre früher nicht möglich gewesen. Ich bin froh um diese Entwicklung, weil sie der Sache gut tut. Es eröffnen sich neue kreative Wege, welche ihrerseits eine Herausforderung darstellen.

ensuite: Wie ist das zu verstehen?
Ben Ostendorf: Es gibt eine Fülle von Klein- und Kleinstlabels, die wir über die sozialen und musikalischen Netzwerke gefunden haben und hervorragende Produktionen im Sortiment führen. Die Personen dahinter zu erreichen, ist oftmals schwierig. Gegenwärtig warten wir noch auf eine Track-Zusage von einem japanischen Label. Das kann halt manchmal länger dauern, aber es lohnt sich.

ensuite: Müssen Sie „Private Pleasure III“ an einem bestimmten Zeitpunkt abliefern?
Ben Ostendorf: Nein, das nicht. Aber wir haben noch andere Dinge zu tun, und diese Dinge haben Deadlines. Einer unserer Grosskunden, die Einrichtungskette Butlers, hält uns auf Trab. Für ihn haben wir schon rund 25 CDs kompiliert und produziert.

ensuite: Das tönt nach Fliessbandarbeit.
Ben Ostendorf: Ist es keineswegs. Der Kunde lässt sich gerne beraten, und offenbar ist er mit unserem Händchen für gute Musik zufrieden. Wir haben hier erfolgreich viele hunderttausend CDs verkauft. Per se kann ein Kunde darauf zählen, dass wir uns in ihn hineinversetzen und uns bezüglich Musikauswahl an seinem Leitbild orientieren. Diese Aufgabe ist manchmal gar nicht so einfach: Wir arbeiten mit vorgegebenen Budgets und haben keinen unbegrenzten Spielraum. Obwohl wir zum Teil auch Mid-Price Produkte entwickeln, um in der Konkurrenz zu Download-Anbietern zu bestehen, achten wir selbstverständlich auf beste Qualität. Eine Herausforderung, die unseren Beruf erst recht spannend macht. Das Resultat scheint, wie gesagt, sehr gut anzukommen. Für Butlers produzieren wir exklusiv.

ensuite: Was heisst das?
Ben Ostendorf: Andere Ketten mit ähnlichen Profilen haben uns auch schon angefragt. Sie hatten wahrgenommen, was wir für industrielle Kunden so machen und wollten etwas Ähnliches für sich haben. Solche Anfragen prüfen wir immer kritisch und rationell. Es macht keinen Sinn zur eigenen Konkurrenz zu werden…

ensuite: In der Kulturszene gibt es kritische Stimmen, die sinngemäss sagen: „Entweder arbeitest du für Firmen oder für die Kunst.“ Mit Ihrem Projekt scheinen Sie den Gegenbeweis zu liefern und den Spagat zu schaffen, indem Sie einerseits für Grosskunden Konzepte erarbeiten, andererseits als DJs in der Lounge Szene ein Renommee geniessen.
Ben Ostendorf: Ja, das ist so, obwohl auch gesagt werden muss, dass wir ein Profil haben. Wenn ein Kunde uns anfragt, weiss er im Grunde schon, was wir machen und wo unsere Grenzen sind. Eine gewisse Anpassung ist natürlich notwendig. Grundsätzlich aber gelingt uns dieser Spagat.

ensuite: Sie produzieren ausschliesslich CDs?
Ben Ostendorf: Nein, wir erstellen auch Prognosen, was in Zukunft musikalisch gefragt sein könnte und was nicht. Die musikalische Wettervorhersage. Trend-Scouting für Musik. Labels interessieren sich für diese Informationen, damit sie ihre Planung entsprechend ausrichten können. Wir haben also auch eine Art Consulting Funktion. Es gibt sie, die Hundert-Prozent-Künstler, aber ich vermute, die haben alle ein Parallelauskommen oder einen Mentor, wie zum Beispiel ein Label, das in sie investiert. Wir arbeiten mit dem Label Electric Lounge – DON Records in Düsseldorf zusammen. Es bietet uns die Möglichkeit, selbständig zu sein und gleichzeitig unser zweites Standbein als Berater und Produzenten für Firmenproduktionen aufrecht zu erhalten.

ensuite: Werden Sie demnächst etwas in der Schweiz machen?
Ben Ostendorf: Ein DJ Set in absehbarer, kürzerer Zeit, nein. Aber vielleicht ruft ja mal das Jazz-Festival Montreux an. Der einzige laufende Kontakt mit der Schweiz ist der, dass wir uns bei einem Ihnen bekannten und in Genf ansässigen Kaffee-Hersteller für eine CD-Serie beworben haben: The Sound of Coffee. Das Prozedere ist „pending“, wie man so schön sagt. Wir werden sehen und vielleicht hören.

[Private Pleasure Vol III, VÖ: November 2013, im Handel ab 7.2.2014, Label: Electric Lounge, Vertrieb Rough Trade.]

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